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Endlich habe ich es geschafft, Mietta und Cosmin die Interviewfragen zu schicken. Ich bin total froh und dankbar, dass sie sich die Zeit genommen haben, all diese Fragen so ausführlich zu beantworten! (Das schriftliche Interview hat im Original auf Rumänisch stattgefunden. Ich habe mich bemüht, es nach bestem Wissen und Gewissen ins Deutsche zu übersetzen. Falls ihr aber noch Fehler entdeckt, lasst es mich gerne wissen. Mein Rumänisch ist nämlich leider schon wieder ziemlich eingerostet…)
Mietta und Cosmin sind zwei Lehrer aus Caransebeș, die das Projekt „Kinderhilfe“ (K.H.) personell betreuen. Ich denke, ich kann sogar so weit gehen zu sagen, dass das Projekt ohne die beiden nicht möglich wäre, denn sie sind Herz und Seele des Projekts. Die Kinderhilfe ist vielmehr als nur eine Hausaufgabenhilfe oder ein After-School-Programm. Aber hört doch einfach selbst, was Mietta und Cosmin zu erzählen haben:
Nina: Seid wann gibt es die Kinderhilfe, und warum wurde sie gegründet?
Mietta & Cosmin: Dank einiger großzügiger Leute aus Deutschland konnte dieses Projekt, das einigen Familien aus dem Stadtteil Balta Sărată in Caransebeș Unterstützung bietet, im Jahr 2002 starten. In dieser Zeit gingen viele Kinder der Familien aus diesem Viertel nicht in die Schule, sondern blieben stattdessen zu Hause um die jüngeren Geschwister großzuziehen. Aus diesem Grund wurde das Projekt „Kinderhilfe“ ins Leben gerufen.
Das Ganze wurde durch das Ehepaar Idems möglich gemacht, zwei Deutsche, die schon seit 1991 der Stadt Caransebeș geholfen hatten, und die auf den ersten Blick die Probleme erkannten, mit denen sich Balta Sărată konfrontiert sah. [Das unglaublich nette Ehepaar durfte ich übrigens bei unserer Aussendung zum Sommerfest 2019 kennenlernen, Anm. d. V..]

Wie alt sind die Kinder in der Kinderhilfe, und wie viele kommen für gewöhnlich zu euch ins Zentrum?
Die Kinder sind zwischen 7 und 19 Jahren alt. Zurzeit haben wir 16 Kinder im Projekt. Die Anzahl der Kinder ist dabei zum einen abhängig von der finanziellen Seite des Projekts, und andererseits auch von unserer Arbeitskapazität, denn wir sind ja nur zwei Personen, die den Kindern vor Ort helfen.
Warum brauchen die Kinder denn überhaupt Hilfe?
Die meisten Kindern in unserem Projekt leben in kleinen Häusern und haben nicht den notwendigen Platz um zu lernen und sich auf die Schule vorzubereiten. In einigen Wohnungen gibt es weder Frisch- noch Abwasserleitungen, keine Toilette, Badezimmer oder Internet, und die Kindern haben nicht das nötige Geld für alles, was sie für die Schule benötigen.
Wie sieht ein normaler Tag in der Kinderhilfe aus?
Wenn der Unterricht an den Schulen, an denen wir arbeiten, beendet ist, nehmen wir den Kleinbus, um die Kinder der Klassen 1-8 von ihren Schulen abzuholen und zur K.H. zu bringen. Die Kinder, die zum Gymnasium gehen, kommen zu Fuß von ihren Schulen. Wir servieren Mittagessen, dann wäscht jedes Kind seinen eigenen Teller und stellt ihn an seinen Platz. Dann bereiten sie sich auf die Hausaufgaben vor. Nach den Hausaufgaben machen wir noch zusätzliche Übungen mit ihnen und dann spielen wir – solange es die Zeit bis 17.00 Uhr erlaubt. Bevor wir nach Hause fahren, gibt es noch einen Snack. Wir putzen in dem Raum, in dem wir gelernt haben, sowie das Bad und die Küche. Am Ende des Programms bringen wir die Kinder mit dem Kleinbus nach Hause.


Und ein besonderer Tag?
Besonders sind die Geburtstage der Kinder – wir versuchen, mit jedem Kind zu feiern, wenn es Geburtstag hat. (Es gibt Kinder, die erst bei der Kinderhilfe herausgefunden haben was es bedeutet, ihren Geburtstag zu feiern, weshalb viele Kinder, die ihren Geburtstag mit uns feiern, vor lauter Emotionen weinen.)
Besonders sind all die Tage, an denen wir Gäste haben – wie das Ehepaar Idems, das, obwohl sie beide alt sind, versucht, uns so oft wie möglich zu besuchen.
Besonders sind die Tage, an denen wir dank Herrn Raabe und den Franziskanerinnen an internationalen Projekten mit jungen Menschen aus Deutschland (Michelstadt) teilnehmen. In diesen Projekten (72 Stunden) haben Kinder und Jugendliche eine Woche lang sehr interessante und aufregende Aktivitäten zusammen.
Besonders sind die Tage, an denen wir gemeinsam Weihnachten und Ostern feiern.
Besonders sind die Tage, an denen wir Ausflüge machen und campen.
Besonders sind die Tage, an denen wir Sportwettkämpfe organisieren oder bei deren Organisation helfen – wie der, an dem du hättest teilnehmen sollen [ein Wettbewerb Anfang August, zu dem ich eingeladen wurde, um gemeinsam mit der K.H. Essen und Getränke an Sportler zu verteilen, was ich aufgrund von Covid-19, jetzt leider nicht tun kann, Anm. d. V.].
Besonders sind alle Tage, an denen wir von besonderen Menschen besucht werden, die von unserer Gruppe beeindruckt sind.






Könnt ihr uns ein bisschen was über die Hintergrundgeschichten einiger Kinder erzählen? Gibt es Schicksale oder Geschichten, die euch besonders bewegt haben und euch im Gedächtnis geblieben sind?
In den 18 Jahren die wir schon in dem Projekt sind, sind wir auf viele interessante Geschichten gestoßen, aber wir versuchen mal, euch ein paar davon vorzustellen.
Ein Beispiel ist Familie A., die aus drei Personen besteht: Maria, Bogdan und Mutter Elena. [Aus Datenschutzgründen habe ich die Familiennamen abgekürzt, Anm. d. V.] Diese Familie gehört zur ersten Generation des Projekt, die unter schwierigen Umständen aufwuchsen und ohne Einkommen lebten.
Die Mutter hatte nie einen festen Arbeitsvertrag, aus diesem Grund kam sie vier Jahre lang zum Zentrum um dort zu putzen und damit ein wenig Geld zu verdienen. Der Vater der Kinder war nie Teil der Familie, da er in einer anderen Stadt lebte und einen Großteil seiner Zeit im Gefängnis saß.
Bogdan ist jetzt 24 Jahre alt. Er beendete die 10. Klasse in Caransebeș (ein sehr intelligenter Junge – aber leicht negativ zu beeinflussen). Mit 16 zog er in die Stadt, in der sein Vater lebte und hat falsche Wege gewählt.
Maria ist mittlerweile 23, sie hat ihren Abschluss an dem besten Gymnasium der Stadt gemacht, und begann danach ein Studium in Timișoara, welches sie nicht beendete da sie einen Jungen kennen lernte und mit ihm gemeinsam nach Deutschland ging, um ein besseres Leben zu führen. Die beiden haben seit einigen Monaten einen kleinen Sohn zusammen.
Ein weiteres Beispiel ist Familie M., eine große Familie mit fünf Kindern, von denen vier zur Kinderhilfe gekommen sind. Es ist eine Familie mit großen finanziellen Bedürfnissen, die Mutter ohne Ausbildung (nur zwei Jahre Schule), der Vater ohne Vertragsjob – so wie die Mehrheit der Männer aus diesem Stadtviertel. Die Männer arbeiteten gelegentlich illegal, wenn sie Arbeit fanden, oder suchten Altmetall um es zu verkaufen.
Ionuț, der älteste Sohn, ist jetzt 24. Er machte den Abschluss an einem technologischen Gymnasium in Caransebeș und ging im Alter von 20 Jahren nach Dänemark, um zu arbeiten. Dort lebt er heute mit seiner Frau. Sie haben einen 3-jährigen Sohn, der von seiner Großmutter in Caransebeș aufgezogen wird. Die drei Töchter der Familie M. haben die 10. Klasse abgeschlossen und haben mittlerweile ihre eigenen Familien gegründet. Der Jüngste in der Familie ist der 13-jährige Manu, der mit 6 Jahren in unser Projekt kam, aber dieses Jahr gab er seinen Platz im Projekt auf und geht selten zur Schule.

Das nächste Beispiel ist Familie C. Adelina kam in der 8. Klasse zur Kinderhilfe, also vor 6 Jahren. Sie ist bisher die ehrgeizigste unter den Mädchen, eine junge Frau, die wirklich Erfolg im Leben haben will, um ein anständiges und gutes Leben zu führen. Derzeit ist sie Stipendiatin in ihrem ersten Jahr an der Polytechnischen Universität von Timișoara (Telekommunikation) – einer der besten und modernsten in ganz Europa.
In ihrer Familie arbeitet der Vater im Gegensatz zu vielen Familien in unserem Projekt auf Vertragsbasis, und auch die Mutter arbeitete auf Vertragsbasis, ist aber jetzt krankgeschrieben [oder wegen Krankheit vorzeitig in Rente gegangen, da bin ich mit der Übersetzung nicht ganz sicher, Anm. d. V.].
Sie hat zwei ältere Brüder, von denen einer Student an derselben Uni ist. Adelina lebt auch in einem Haus ohne Wasser, Toilette, Bad, Internet usw., aber ihr Wunsch, im Leben erfolgreich zu sein, ist größer als der der anderen Menschen in diesem Stadtteil.
Adelina ist ein Vorbild für die anderen Mädchen in der Kinderhilfe, wir sind stolz auf sie, und sie ist eine große Hilfe für die Kinderhilfe! Tatsächlich ist sie die erste junge Erwachsene, die auch Teil der organisierenden Mitglieder der K. H. geworden ist.
Zu guter Letzt können wir euch noch etwas über die Familie S. erzählen. Diese Familie besteht aus 4 Mitgliedern: Vater, Mutter, Abel (17 Jahre) und Casian (7 Jahre).
Abel ist seit seinem 11. Lebensjahr (5. Klasse) Teil des Projekts. Er ist der ehrgeizigste der Jungen in der Kinderhilfe. Er lernt sehr gut und obwohl er unter Bedingungen lebt, die in keinster Weise dem Jahr 2020 entsprechen (er lebt auch in einem Haus ohne Wasser, Toilette, Bad, Internet usw.), bereitet er sich darauf vor, Arzt zu werden. Er ist ein junger Mann der zum Kern der K. H. zählt. Er hilft uns sehr, er hilft den Kleinen und wir sind stolz auf ihn.
Casian – dein Schüler – ist ein sehr intelligenter Junge, von dem wir hoffen, dass er Abels Beispiel folgt. [Casian ist der Junge, dem ich bei seinen Hausaufgaben geholfen habe, wenn ich bei der K.H. war, Anm. d. V.] In ihrer Familie arbeitet nur der Vater mit einem Arbeitsvertrag.
Ihr arbeitet beide als Lehrer. Wie seid ihr zu dem Projekt gekommen? Und was motiviert euch dazu, eure gesamte Freizeit in die Kinderhilfe zu investieren?
Im Jahr 2003 haben wir mit Hilfe der Franziskanerinnen begonnen, an dem Projekt der Familie Idems zu mitzuwirken. 2010 zog Familie Idems nach vielen Jahren der Unterstützung von Kindern und Familien im Stadtteil Balta Sărată zurück nach Deutschland. Nach ihrer Abreise setzten wir das von ihnen gestartete Projekt in einer anderen Räumlichkeit fort, die uns von den Franziskanerinnen zur Verfügung gestellt wurde.
2014 gelang es uns, Rechtspersönlichkeit zu erlangen und den Verein unter einem rumänischen Namen zu registrieren. Unsere Hauptmotivation für die Arbeit in der Kinderhilfe ist die emotionale oder spirituelle, die wir bekommen, wenn wir der Gemeinschaft, ihren Kindern und ihren Familien helfen. Wir können allen zeigen, dass es egal ist, aus welchem sozialen Umfeld man kommt, denn selbst Kinder aus benachteiligten Familien haben die Chance, ihr Leben zu verbessern, wenn sie Menschen bei sich haben, die ihnen den Weg zum Guten zeigen können.
Dank der Interaktion mit Kindern und Jugendlichen in der K.H. schließen wir Freundschaften. Wir tragen auch eine große Verantwortung dafür, das zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich ein besseres Umfeld im Leben der Kinder und Jugendlichen zu schaffen.

Ist es manchmal schwierig, den Kindern gerecht zu werden, wenn ihr nur zu zweit seid? Gibt es Momente in denen ihr euch Unterstützung in der Form von zusätzlichem Personal wünscht?
Ja, da bei der Kinderhilfe nur zwei Personen arbeiten, stoßen wir auf manchmal auf Probleme und ziemlich schwierige Situationen, aber wir versuchen immer, sie zu lösen. Da wir bei der Kinderhilfe nur zu zweit sind, gibt es Momente, in denen wir mit Müdigkeit zu kämpfen haben und in denen wir uns Unterstützung wünschen – schließlich kommen wir zur K.H. nach 6 Stunden Arbeit in der Schule und 45 km Arbeitsweg. Dieses Jahr hatten wir das Glück, dich nebenan zu haben. Du hast einen frischen Wind in die K.H. gebracht und warst uns wirklich von Nutzen.
Welchen Einfluss hat die Corona Pandemie auf das Projekt?
Während dieser Zeit der Pandemie war unser Projekt stark betroffen, da die Kinder mehr als anderthalb Monate lang nicht zur K.H. kommen konnten. Sie konnten nicht duschen, bekamen nicht die tägliche warme Mahlzeit, die sie normalerweise erhalten hätten, und hatten keinen Zugang zu Internet, Tablets oder Laptops, um ihre Hausaufgaben für die Schule zu machen.

Wie wird die Kinderhilfe finanziert? Wären Sachspenden, z.B. in Form von Schulmaterial, Lebensmitteln oder Elektronik wie Laptops, für euch hilfreich?
Das Projekt wird dank der Hilfe von großherzigen Menschen in Deutschland finanziert, die uns finanziell unterstützen. Wir erhalten außerdem finanzielle und materielle Hilfe von den Franziskanerinnen, die uns schon seit vielen Jahren helfen. Vor einigen Jahren organisierten wir Sportwettkämpfe, mit denen wir Spenden sammelten, um gut in das Schuljahr starten zu können.
Ja, wir brauchen jede Art von Hilfe, sowohl materielle (Schulmaterial, Lebensmittel, Laptops) als auch finanzielle. Jede Hilfe für diese Kinder ist willkommen!
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Pläne für die Zukunft tauchen jeden Tag auf, aber wir müssen sie einzeln betrachten und zuerst an die Gesundheit unserer Kinder und der Personen denken, die uns helfen. Aus finanzieller Sicht sind wir für dieses Jahr ziemlich gut aufgestellt, wenn man bedenkt, dass es aufgrund dieses Virus ein schlechtes Jahr für NGOs sein wird. Der ursprüngliche Plan unseres Projekts hat Vorrang, nämlich die bestmögliche Bildung von Kindern und die Verhinderung von Schulabbrüchen.
Vielen Dank für das Interview und danke für die wundervolle Zeit in Caransebeș bei euch! Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen. 🙂
Und wenn ihr, liebe Leser*innen, jetzt den Wunsch verspürt, Mietta und Cosmin bei ihrer Arbeit zu unterstützen, dann könnt ihr das auf folgende Weise tun:
Spendenkonto
Kongregation der Franziskanerinnen Salzkotten
Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold
IBAN: DE 8847 2601 2191 3019 5905
BIC: DGPBDE3MXXX
Stichwort: „Hausaufgabenhilfe Idems“
Weitere Infos zum Thema Rumänienhilfe findet ihr auf der Website der Franziskanerinnen, genau hier.

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